Das Stellwerk Tannenbergstraße liegt unmittelbar an der Einfahrt zum Bahnhof Bergisch Gladbach zwischen zwei Gleissträngen. Es ist eines der wenigen noch vollständig erhaltenen Elemente der Eisenbahntechnik aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die technischen Anlagen stammen größtenteils noch aus dem Jahr 1911 und werden bis heute genutzt. Seit April 2014 steht das historische Stellwerk unter Denkmalschutz.
Entstehung Die Eisenbahnstrecke von Mühlheim am Rhein (heute Köln-Mühlheim) nach Bergisch Gladbach wurde von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn gebaut und 1868 eingeweiht. Während der Kopfbahnhof Bergisch Gladbach zunächst Endstation war, erfolgte ab 1870 nach und nach ein weiterer Ausbau der Strecke über Bensberg bis nach Lindlar.
Nach der Eröffnung des Eisenbahnstrecke siedelten sich in der Umgebung des Bahnhofs Bergisch Gladbach schnell verschiedene Industrieunternehmen an. Dies erforderte einen direkten Straßenanschluss zur späteren Hauptstraße. So entstand 1894 die heutige Tannenbergstraße (damals Gasstraße) mit Bahnübergang. Um die Jahrhundertwende hatte der Fuhrbetrieb so stark zugenommen, dass die königliche Eisenbahndirektion Gefahren für das „Publikum“ sah und die Anbringung von Wegschranken zur Sicherung des Bahnübergangs beantragte.
Im Jahr 1910 wurde der Personenbahnhof aus der Stadtmitte heraus nach Gronau verlagert, um das zeitaufwendige Einfahren der Züge in den Kopfbahnhof zu vermeiden. Dies machte den Bau von Stellwerken notwendig. Daher wurde 1911 das Stellwerk Tannenbergstraße als eines von dreien zur Bedienung des Bahnhofsgeländes und eines Teils der zugehörigen Gleisstrecken in Betrieb genommen.
Lage Das Stellwerk Tannenbergstraße liegt an der Einfahrt zum Bahnhof in der Stadtmitte von Bergisch Gladbach. Es steht zwischen zwei Gleissträngen und zwei Schrankenanlagen: Nördlich des Stellwerks führt die zweigleisige Bahnstrecke von Köln nach Bergisch Gladbach vorbei, welche heute von der Straßenbahnlinie S 11 befahren wird. Unmittelbar südlich des Stellwerks befindet sich ein Anschlussgleis für die Stadtwerke und die örtliche Papierfabrik Metsä Board Zanders GmbH. Zur Zeit der Entstehung des Stellwerks im Jahr 1911 führte das südliche Gleis noch über Bensberg und Rösrath bis nach Immekeppel und später bis nach Lindlar weiter. In den 1960er Jahren wurde der Personenverkehr zwischen Bergisch Gladbach und Lindlar jedoch schrittweise eingestellt und die Gleisanlagen wurden abgebaut. Heute wird das südliche Gleis nur noch für den Werksverkehr genutzt und endet im Gewerbegebiet der Stadt.
Architektur Das schmale rechteckige Stellwerksgebäude ist im Erdgeschoss ein verputzter Massivbau und im Obergeschoss ein an drei Seiten verschieferter Fachwerkbau. Die Südseite des Gebäudes wird von einem vollständig eingehausten Treppenaufgang mit Satteldach geprägt. Sowohl das Satteldach als auch das Walmdach des Stellwerks sind mit einer Schieferdeckung ausgestattet. Besonders hervorgehoben ist die Sockelzone des Erdgeschosses, die ungleichmäßig bis in den Bereich der Fensterlaibungen eine Verblendung aus Naturstein aufweist. Noch original sind zudem die kleinteiligen Metallsprossenfenster im Erdgeschoss sowie die Holzsprossenfenster mit verzierten Espangnoletteverschlüssen und grüner Farbverglasung im Obergeschoss. In nordöstlicher Richtung schließt sich ein eingeschossiger Anbau an.
Durch die Architektur des Stellwerks und die verwendeten Materialien wird deutlich, wie sehr auch beim Bau von technischen Gebäuden auf landschaftlich und regional-städtebaulich verträgliche Formen geachtet wurde.
Technik Das Stellwerk Tannenbergstraße trägt die Bezeichnung „Stellwerk Gf“ (G für Gladbach, f für Fahrdienstleiter). Noch heute werden vom Stellwerk aus die zweifache Schrankenanlage am Bahnübergang Tannenbergstraße sowie sämtliche Weichen und Signale im Bahnhof Bergisch Gladbach gesteuert.
Die wesentliche Betriebstechnik der Weichen- und Signalsteuerung existiert seit dem Stellwerksbau und erfolgt immer noch per Hand. Das Stellwerk ist damit eines der wenigen, von dem aus Weichen und Signale noch mit Seilzügen bedient werden. So steht im Stellwerksraum eine Hebelbank der Firma Scheidt & Bachmann aus dem Jahr 1911, auf der dreizehn blaue Hebel für die Weichen und sechs rote Hebel für die Signale montiert sind. In einem Blockschrank werden Weichenkombinationen durch mechanische Sicherungen ermöglicht oder unzulässige Kombinationen blockiert. Im Erdgeschoss des Stellwerks befindet sich der Spannwerksraum.
Die Bedienpulte für die Schrankenanlagen wurden inzwischen elektrisch umgerüstet. Das südliche Bedienpult stammt noch aus der Anfangszeit der Elektrifizierung der Schranken aus dem Jahr 1962; die zweite Schrankenanlage wurde 1978 elektrifiziert. Bei Störungen können die Schranken bis heute mit der Handkurbel bedient werden. Nachträglich installiert wurden auch Schaltungen für elektrische Signalbeleuchtung, Weichenheizung und Oberleitungen.
Erhalt Das Stellwerk wird bald nicht mehr benötigt, da die Deutsche Bahn in Zukunft die personenbetriebene Technik aufgeben und die Steuerungstechnik an ein elektronisches Zentralstellwerk anbinden möchte. Unabhängig davon besteht der Plan, die Gleise zwischen Köln-Dellbrück und Bergisch Gladbach weiter auszubauen, um den S-Bahnverkehr nach Köln zu verdichten. Da das Bauwerk der Trassenverbreiterung im Wege steht, sollte es abgerissen werden.
Das Stellwerk Tannenbergstraße ist jedoch das letzte von ehemals drei Stellwerken in Bergisch Gladbach aus der Kaiserzeit. Als bedeutsames und gut erhaltenes Relikt der expandierenden Industrialisierung macht es einen wichtigen Teil der Stadtgeschichte erlebbar. Zudem handelt es sich um eines der wenigen noch mechanisch funktionierenden Stellwerksanlagen. Seit 2006 kämpft daher der Bergische Geschichtsverein zusammen mit dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz für den Erhalt des denkmalwerten Gebäudes.
Auf der Grundlage einer am 11. November 2013 ausgesprochenen Weisung des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, hat die Stadt Bergisch Gladbach am 1. April 2014 entschieden, das Stellwerk Tannenbergstraße in die Liste der Baudenkmäler aufzunehmen. Damit ist ein weiterer wichtiger Schritt zum Erhalt des historischen Gebäudes aus der wilhelminischen Ära inklusive seiner technischen Ausstattung gemacht. Der eingeschossige Anbau gehört nicht zur denkmalwerten Substanz.
(Anne Stollenwerk, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2014, mit freundlicher Unterstützung der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat und Kulturpflege)
Das Objekt „Stellwerk Gf“ in der Tannenbergstraße ist ein eingetragenes Baudenkmal (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Nr. 70931 / Denkmalliste der Stadt Bergisch Gladbach, laufende Nr. 172).
Bergisch Gladbach. Stellwerk an der Tannenbergstraße. In: Rheinische Heimatpflege 51, Heft 3, S. 285-288. Köln.
Buschmann, Walter / Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.) (2006)
Denkmalgutachten zum Stellwerk Tannenbergstraße, Bergisch Gladbach. o. O.
Heinemann, Reinhard (2014)
Baukultur der Eisenbahnen in preußischer Zeit. Erhaltung, Abriss, Translozierung traditionsreicher und denkmalgeschützter Bahnbauten aus dem 19. Jahrhundert. In: Rheinische Heimatpflege 51, Heft 2, S. 161-170. Köln.
Klostermann, Thomas (2006)
Stellwerk Tannenbergstraße in Bergisch Gladbach. In: Rheinische Heimatpflege 43, Heft 3, S. 307-309. Köln.
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